Billroths Magen

Billroths Magen

Ein Artikel für das Ärztemagazin, 12.2012

Szenenbild: Ein Operationstisch. Zwei hellblaue Augen in einem mächtigen Kopf sind leicht nach vorne über eine 43-jährige Patientin gebeugt. Seit Wochen behält die Mutter von 8 Kindern nichts als Sauermilch in ihrem Magen – alles andere erbricht sie. Abgemagert ist sie bis auf die Knochen – die niederschmetternde Diagnose: Krebs im Magenausgang. Keiner kann ihr helfen. Nur einer ! Er heißt Theodor Billroth (1829-1894) und kommt von der Ostseeinsel Rügen. Seine Augenfarbe ist genauso bestechend wie sein Wagemut und seine medizinische Brillanz. Mit der ersten Ösophagusresektion im Jahr 1871 und der ersten Kehlkopfexstirpation 1873 ist er der Pionier der Tumorchirurgie. Nach einer zehnjährigen Vorbereitung, in der alle technischen Details der Operation im Tierversuch geklärt wurden, wagte er 1881 schließlich die Resektion eines Malignoms des Magenausgangs. Billroth operierte am 29. Januar die 43 -jährige Maria Theresia Heller, die nach einem 90-minütigen Eingriff und 14 Tagen stationärer Beobachtung als geheilt nach Hause entlassen wurde. Der Patientin entfernte Billroth ein 14 Zentimeter langes Stück des Magenantrums. Den Magenstumpf vernähte er mit dem Zwölffingerdarm , so dass erneut eine Passage des Speisebreis möglich wurde. In einem offenen Schreiben an L. Wittelshöfer, den Herausgeber der „Wiener medizinischen Wochenschrift”, berichtet Billroth: „Ich bin selbst freudig erstaunt über den so glatten Verlauf. Nun wage ich kaum zu glauben, dass alles so ruhig fortgehen sollte.” Die Geburtsstunde der Bauchchirurgie ! Auch heute noch ist es – wie es einer der heutigen Pioniere der Chirurgie, Jörg Siewert, es ausdrückt – das Gesellenstück der Chirurgie. Und wie Billroth es ahnte, verstirbt Frau Heller schon vier Monaten nach der Operation. Er sah in seiner Leistung zunächst einen Anfang. Denn erst durch weitere Forschung muss Erfahrung gesammelt und Indikationen sowie Kontraindikationen aufgezeigt werden. Frau Heller wurde obduziert und der operierte Magen entnommen. Gemeinsam mit dem Operationspräparat sind diese Zeugnisse der Pionierleistung heute im Museum für Medizingeschichte zu besichtigen. Im Jahr 1885 beschrieb Billroth noch eine weitere Methode der Magenresektion, die heute allgemein als Billroth II bekannt ist.

Roland Sedivy (* 9. Mai 1963 in Wien) ist ein österreichischer Universitätsprofessor für Pathologie, Medizinrechtsexperte, Autor sowie Lebens- und Sozialberater. Sedivy war von 2007 bis 2016 Leiter der Klinischen Pathologie des Landesklinikums St. Pölten und bis 2019 stv. Chefarzt der Kantonspathologie Münsterlingen (Schweiz). Danach bis 2023 Vorstand des Instituts für Klinische Pathologie, Molekularpathologie und Mikrobiologie der Klinik Favoriten, dem früheren Kaiser Franz Josef-Spital, einem akademischen Lehrkrankenhaus der Medizinischen Universität Wien. Zeitgleich auch Vorstand des Institutes für Pathologie und Mikrobiologie der Klinik Landstraße (früher Rudolfstiftung). Außerdem war er von 2011 bis 2015 Vorstandsmitglied der Österreichischen Gesellschaft für Klinische Pathologie und Molekularpathologie. Als Universitätsprofessor war Sedivy an der Danube Private University in Krems im Fach Allgemeine Pathologie und Oralpathologie und an der Karl Landsteiner Universität in St. Pölten für Klinische Pathologie tätig. Seit 2019 lehrt Sedivy an der Sigmund Freud PrivatUniversität in Wien und wurde 2023 auf den Lehrstuhl für Klinische Pathologie und Molekularpathologie berufen.