Leiche oder Präparat – was für eine Frage?

Der PathoBlogger b

Im Jahr 2006 ergriffen Einbrecher die Flucht, weil sie im Keller des Wiener Goethehofs 8 Köpfe fanden, die aus einer Kiste rollten. Mordalarm wurde sodann ausgelöst, nachdem diese von einer Bewohnerin gefunden wurden. Letztlich war es nur eine spektakuläre Geschichte ohne kriminalpolizeiliche Relevanz, da lediglich ein Kieferchirurg seine anatomischen Forschungspräparate im Kellerabteil lagerte–und das darf er!

Illegaler Schädeltransport hieß es vor kurzem! Ein ungarischer Anatom hatte mehrere Schädelteile von seiner Universität mit nach Österreich gebracht, um damit seine österreichischen Studenten zu unterrichten. Ein anonymer Anzeiger sah darin die Gelegenheit, Unruhe zu stiften. Doch auch in diesem Fall ist die Fracht zwar makaber, aber zulässig. In beiden Fällen handelte es sich um anatomische Präparate, die nicht mehr als Leichenteile gelten und damit die Leichen-und Bestattungsgesetze keine Anwendung finden.

Auch für Früh-und Totgeburten, die weniger als 500g wiegen, gilt es diese skurrile Unterscheidung zu treffen, obwohl es hier weit näher liegt, tote Kinder als solche zu behandeln. Manche Bundesländer haben dies schon gesetzlich und moralisch korrekt geregelt–für abgetriebene Kinder fehlen diesbezügliche Normen. Viele werden nun auch an die kunstvollen toten Körper von Gunther von Hagens denken, die als Lebende aber allesamt dieser Veredelung ihrer leiblichen Hülle zugestimmt haben.

Ist es wirklich so verwerflich, dass ein Mensch sich wünscht, als schachspielendes Plastinat präsentiert zu werden? Ganz anders verhielt es sich mit Angelo Soliman, der als hochfürstlicher „Hofmohr“ Karriere machte. Er wurde nach seinem Tod im kaiserlichen Naturalienkabinett als halbnackter „Wilder“ mit Federn und Muschelkette ausgestellt. Strittig unter den Experten ist bis heute, ob er dies wollte oder nicht. Seine Tochter kämpfte jedenfalls Jahre vergeblich, um eine herkömmliche Beisetzung seiner über Holz gespannten Haut zu erreichen–bis schließlich dieses menschliche Präparat im Revolutionsjahr1848 bei einem Brand unterging.

Übrigens: Sein Leben als Afrikaner in Wien ist derzeit im Wienmuseum Thema einer Sonderausstellung. Ein besonderes Exponat fand sich auch im Wiener Narrenturm: dort wurde der Schädel des Sissy Mörders Luigi Lucheni bis ins Jahr 2000 verwahrt. Der Grund, warum der Schädel des Mörders nach seinem Suizidabgetrennt wurde, bestand in der geplanten phrenologischen Untersuchung, zur Identifizierung des morphologischen Sitzes des homo criminalis! Mittlerweile wurde dieser Schädel bestattet.

Roland Sedivy (* 9. Mai 1963 in Wien) ist ein österreichischer Universitätsprofessor für Pathologie, Medizinrechtsexperte, Autor sowie Lebens- und Sozialberater. Sedivy war von 2007 bis 2016 Leiter der Klinischen Pathologie des Landesklinikums St. Pölten und bis 2019 stv. Chefarzt der Kantonspathologie Münsterlingen (Schweiz). Danach bis 2023 Vorstand des Instituts für Klinische Pathologie, Molekularpathologie und Mikrobiologie der Klinik Favoriten, dem früheren Kaiser Franz Josef-Spital, einem akademischen Lehrkrankenhaus der Medizinischen Universität Wien. Zeitgleich auch Vorstand des Institutes für Pathologie und Mikrobiologie der Klinik Landstraße (früher Rudolfstiftung). Außerdem war er von 2011 bis 2015 Vorstandsmitglied der Österreichischen Gesellschaft für Klinische Pathologie und Molekularpathologie. Als Universitätsprofessor war Sedivy an der Danube Private University in Krems im Fach Allgemeine Pathologie und Oralpathologie und an der Karl Landsteiner Universität in St. Pölten für Klinische Pathologie tätig. Seit 2019 lehrt Sedivy an der Sigmund Freud PrivatUniversität in Wien und wurde 2023 auf den Lehrstuhl für Klinische Pathologie und Molekularpathologie berufen.