Der politische Giftmord

Der PathoBlogger b

Ärztemagazin 12.2013

Die jüngsten Spekulationen um den Tod von Jassir Arafat haben den stillen Killer Gift wieder in das Rampenlicht gerückt. Drei Expertenteams hatten Gewebeproben aus einer Rippe und dem Beckenbereich nach der Exhumierung von Arafats Leiche vor knapp einem Jahr entnommen. Die Russen fanden nichts verdächtiges, die Franzosen sind mit ihrem Gutachten noch nicht fertig und die Schweizer Experten lieferten die Bombe: eine 18-mal so hohe Konzentration von Polonium 210 wurde in Arafats Proben gefunden. Arafat war im November 2004 mit 75 Jahren in einem Militärkrankenhaus bei Paris verstorben. Auf Wunsch seiner Witwe wurde damals keine Autopsie vorgenommen. In Folge dessen blieb die genaue Todesursache unklar. Und wie so oft kocht die Gerüchteküche, bis man sich doch entschließt, die Wahrheit ermitteln zu wollen. Damit wurde im November 2012 in Ramallah eine Exhumierung veranlasst. Rachegefühle, Hass, Neid, Missgunst und alle anderen beliebten Motive treffen gerade Politiker, die in der Öffentlichkeit stehen besonders. Und weil man ja bekannt und namhaft ist, soll dann auch keine Obduktion durchgeführt werden. Als wenn dieser letzte Dienst eine Schande wäre. Wie man an Arafats Beispiel sieht, hätte eine sofortige Autopsie samt Giftanalyse mehr Klarheit und Sicherheit gebracht als die reine Totenbeschau. Doch leider wird die Sinnhaftigkeit der Obduktion nach wie vor unterschätzt. Das radioaktive Element Polonium ist für den Menschen schon in kleinen Dosen tödlich, wobei es allerdings ebenso einiges über die Stellung des Mörders bzw. seiner Auftraggeber verrät. Das 1898 von Marie Curie entdeckte und nach ihrem Heimatland Polen benannte Element wird in Atomreaktoren gewonnen. Weltweit werden nur wenige hundert Gramm hergestellt. Erst 2006 wurde in London der russische Ex-Agent Alexander Litwinenko mit Polonium 210 ermordet. Der Stoff wird über Mund, Nase oder offene Wunden in den Körper gebracht und führt zu irreparablen Schäden an Nieren, Leber und Milz. Aber auch in Österreich begegnete uns der politische Giftanschlag bei dem ukrainische Oppositionsführer Viktor Juschtschenko, der Mitte September 2004 die Ärzte der Wiener Privatklinik im Rudolfinerhaus wegen einer Dioxinvergiftung konsultierte. Auf Gemeindeebene ermordete ein Bürgermeister 1864 in Werfen (Salzburg) Frau und Töchter mit Arsen: Johann Oberreiter der Politiker als Serienmörder wurde als letzter Salzburger hingerichtet – Jahrzehnte später war es umgekehrt – der Bürgermeister aus Spitz wurde im Februar 2008 Opfer einer Strychnin-Vergiftung. Eine Praline mit einem Kuvert an der Windschutzscheibe seines Wagens mit der Nachricht: „Du bist für mich etwas ganz Besonderes…“ änderte sein Leben dramatisch.

Roland Sedivy (* 9. Mai 1963 in Wien) ist ein österreichischer Universitätsprofessor für Pathologie, Medizinrechtsexperte, Autor sowie Lebens- und Sozialberater. Sedivy war von 2007 bis 2016 Leiter der Klinischen Pathologie des Landesklinikums St. Pölten und bis 2019 stv. Chefarzt der Kantonspathologie Münsterlingen (Schweiz). Danach bis 2023 Vorstand des Instituts für Klinische Pathologie, Molekularpathologie und Mikrobiologie der Klinik Favoriten, dem früheren Kaiser Franz Josef-Spital, einem akademischen Lehrkrankenhaus der Medizinischen Universität Wien. Zeitgleich auch Vorstand des Institutes für Pathologie und Mikrobiologie der Klinik Landstraße (früher Rudolfstiftung). Außerdem war er von 2011 bis 2015 Vorstandsmitglied der Österreichischen Gesellschaft für Klinische Pathologie und Molekularpathologie. Als Universitätsprofessor war Sedivy an der Danube Private University in Krems im Fach Allgemeine Pathologie und Oralpathologie und an der Karl Landsteiner Universität in St. Pölten für Klinische Pathologie tätig. Seit 2019 lehrt Sedivy an der Sigmund Freud PrivatUniversität in Wien und wurde 2023 auf den Lehrstuhl für Klinische Pathologie und Molekularpathologie berufen.