Ärzteschaft als Superguru der Nation!?
Aufklärung, Einwilligungsfähigkeit, Dokumentationspflicht, Patientenverfügung, Patientenselbstbestimmungsrecht, Sorgfaltsmaßstab, usw. – so ein kurzer Rap eines medizinrechtlichen Stakkatos soll illustrieren, dass wir Ärzte immer mehr mit Rechtsfragen konfrontiert werden. Eigentlich kein Tag ohne Rechtsfragen. Überbordet mit Pflichten der Dokumentation und kommunikativen Vermittlung medizinischer Maßnahmen sollen Ärzte im Alltag unter steigender Arbeitslast Rechtsexperten sein. Die KollegInnen sollen z.B. Aufklärung im Hinblick auf die psychische und körperliche Konstitution des Patienten betreiben, indem sie Kommunikations- und Aufnahme- bzw. Auffassungsvermögen, dessen psychische Belastbarkeit und seelische Verfassung berücksichtigen; aber auch seine Vorkenntnisse und den Erfahrungsstand der aufzuklärenden Person mit einbeziehen. Gleichermaßen ist die Ärzteschaft gefordert, mit ausreichender Eindringlichkeit zu erläutern, ohne den Patienten suizidal werden zu lassen. Extrapoliert man nun diese Vielzahl an Forderungen unserer Justiz für jede einzelne Alltagssituation in Ordination und Spital, so wächst sich die Wissenswolke zu einer unberechenbaren Aschewolke eines Vulkans aus – je nach Eruption weitere Justizobsidiane, die es zu bewältigen gilt.
Hinterfragt man die notwendigen ärztlichen Eigenschaften des in der Rechtsprechung gern zitierten „sachkundigen und verantwortungsbewussten durchschnittlichen Arztes“, so ergibt sich ein allzu menschlicher Fiktionalismus einer Partnersuchannonce. Fachlich perfekt, ethisch versiert, umfassend rechtskundig, kommunikativ klar und deutlich, lexikalisch wissend, dabei natürlich empathisch, einfühlsam, geduldig, usw. Am besten man hätte gleich mehrere Studienrichtungen und Ausbildungen absolviert, um den Anforderungen der modernen Paramedizin gerecht zu werden. Drehen wir den Spieß um, frage ich mich, wann Juristen diesen Ansprüchen gerecht werden!? Ich persönlich kann mich auf kein derart exquisites Aufklärungsgespräch bei Rechtsanwälten erinnern! Vielleicht möge sich unsere Jurisprudenz einmal fragen, ob die Ärzteschaft wirklich übermenschlich „durchschnittlich“ agieren muss. Immer wieder hört man Verständnis seitens der Justiz – aber wie verhält es sich mit der geübten Rechtsprechung? Medizinrecht ist eine klassische Querschnittsmaterie, die wie Wucherblumen sehr viele Blüten in kurzer Zeit produziert. Juridische Komplexität ist aber für die praktizierenden KollegInnen schwer zu bewältigen! Daher mein Appell: Justitia sei gnädig!